Nebulöse HIV-Zahlen

LandtagundAids
Brandenburger Landesregierung sollte genauere HIV-Statistik veröffentlichen, um Safer Sex - Prävention zu verbessern.


"Nach Auffassung der Landesregierung stellt das bisherige Beratungsangebot sicher, dass in allen Landkreisen und kreisfreien Städten im Land Brandenburg für alle Zielgruppen die Möglichkeit der Testung und Beratung auf HIV und STI besteht. Ein Engagement von freien Trägern in der Beratungslandschaft ist dabei als Ergänzung zum Angebot der Gesundheitsämter wünschenswert." Aus der Antwort der Kleinen Anfrage  der Abgeordneten  Abgeordneten Anja Heinrich, Raik Nowka, Kristy Augustin der CDU-Fraktion vom 15.10.2015, (Nr. 1183, Drucksache 6/2776)

Die Brandenburger Landesregierung hält die HIV-Testangebote der freien Träger in Brandenburg, (AIDS-Hilfe Potsdam e. V. und Bündnis faires Brandenburg e . V.) zwar als Ergänzung zu den Angeboten der Gesundheitsämter für wünschenswert, hält diese aber für verzichtbar. Die Einschätzung der Landesregierung beruht auf nebulösen Zahlen, die die Landesregierung selbst erhebt aber nur zum Teil veröffentlicht. Dies wird in der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU-Landtagsfraktion deutlich.

Zielgruppenspezifische HIV-Test- und Beratungsangebote sind deswegen unabdingbar, um das weltweite Ziel, die HIV-Neuinfektionen bis zum Jahr 2030 zu stoppen (UNAIDS) zu erreichen. Dies ist nur dann möglich, wenn sich Menschen, die sich frisch mit HIV infiziert haben, diagnostiziert und medikamentös therapiert werden, um dann lebenslang nicht mehr infektiös zu sein. Bisher lassen sich zu wenige Menschen auf HIV oder andere sexuell übertragbare Krankheiten testen. Es gibt eine zu hohe Dunkelziffer bei unentdeckten HIV-Infektionen. Die Einschätzung der Landesregierung ist für das Erreichen des möglichen und erfüllbaren Zieles, nämlich des Stopps der jährlichen HIV-Neuinfektionen in Deutschland bis zum Jahr 2020 (Deutsche Aids- Hilfe e. V.) gefährlich.

Die Landesregierung geht offensichtlich davon aus, das allein "staatliche" Gesundheitsämter und Ärzte ausreichen, um alle Zielgruppen (hetero, schwul, bisexuell, Drogengebraucher_in, prostituiert, Migration) mit präventiven Maßnahmen, insbesondere die der HIV-Test- und Beratung, zu erreichen. Der Gegenteil ist der Fall. Während die Landesregierung den Nutzungsgrad des Gesundheitsämter durch die Hauptbetroffenengruppe von HIV/Aids, schwule und bisexuelle Männer, zwar erhoben aber nicht veröffentlicht hat, ist dieser -statistisch  erfasst und veröffentlicht- in den Rat & Tat - Zentren überdurchschnittlich hoch (Rat & Tat Potsdam: 62% und Rat & Tat Cottbus 47%). Die HIV-Test- und Beratungsangebote des BfB e. V. werden von schwulen und bisexuellen Männern auch deshalb wesentlich mehr akzeptiert, weil diese differenzierter und bedarfsgerechter sind, als in Gesundheitsämtern und weil hier ausschließlich schwule Berater HIV-Test- und Beratungsangebote unterbreiten. Die Landesregierung vergisst, dass die freien Träger die weit aus größte Zahl der Menschen mit HIV in Brandenburg begleiten und betreuen.

Eine genauere Auswertung der durchgeführten Beratungen und HIV-Tests durch Beratungsstellen und Gesundheitsämter ermöglichen eine verbesserte HIV-Prävention im Land. Auswertungsergebnisse, wie die möglich gewesene Inanspruchnahme der Postexpositionsprophylake (PEP) oder die Häufigkeit eines Partnerschaftstests oder die Differenzierung nach Alter und sexueller Identität sind wichtige Aspekte, die einer genaueren Datenlage bedürfen, um HIV-Prävention besser abzustimmen. Hier ist die Initiative Brandenburg - Gemeinsam gegen Aids gefordert.

Jirka Witschak
Sprecher der AG 4, der Initiative Brandenburg - Gemeinsam gegen Aids (AG 4 - Zielgruppe schwule und bisexuelle Männer)


Hintergründe, Zahlen und Fakten


Brandenburger Zahlen
Jährlich erhebt das zuständige Gesundheitsministerium die Zahlen zu Beratung und Test zu sexueller Gesundheit und fasst diese in einem sog. Bericht zur HIV-Prävention zusammen. Dabei melden Gesundheitsämter und Beratungsstellen gleichermaßen über einen standardisierten Fragebogen die Beratungs- und Testzahlen. Veröffentlicht werden allerdings nicht alle Zahlen. Lediglich die Zahl der durchgeführten Tests, die Unterscheidung nach Männern und Frauen sowie die Zahl der positiven Tests und die Zahlen der betreuten Menschen mit HIV werden veröffentlicht. Wichtige weitere Informationen, zum Beispiel, wieviele Prostituierte, Drogengebraucher*innen oder schwule und bisexuelle Männer die Tests in Anspruch nehmen, werden nicht genannt.

Die Mitarbeitenden des Ausbildungsprojektes "Queer Factory" haben die durch das Gesundheitsminsiterium veröffentlichten Zahlen in eine Tabelle gebracht, um die Entwicklungen über die Jahre hinweg zu verdeutlichen.

Tabelle der veröffentlichten Zahlen zu HIV-Test- und Beratung durch Gesundheitsämter und Beratungsstellen in Brandenburg

 

Differenzierte Zahlen- und Datenerhebung ist möglich
Dass eine differenziertere Datenerhebung durchaus möglich ist, zeigen die Zahlen der Rat & Tat - Zentren in Potsdam und Cottbus. Erhoben werden die Daten mit einenm Fragebogen, die durch die Klienten beantwortet werden und einem Auswertungsbogen, den der Berater ausfüllt. Die Daten werdentabellarisch erfasst und ausgewertet.

Auswertung der HIV/SDT- Test-und Beratungszahlen durch Rat & Tat - Zentren in Potsdam und Cottbus.

 

Die Statistiken 2009 bis 2014 der Gesundheitsämter der Kreisfreien Städte und Landkreise geben nur wenig Auskunft und ist deshalb für die Entwicklung von Maßnahmen zur HIV-Prävention nicht hilfreich:

Die Statistiken 2009 bis 2014 der Rat & Tat- Zentren (Bündnis faires Brandenburg e. V.) ist wesentlich umfassender und hilft so notwendige Maßnahmen zur HIV-Prävention in Brandenburg zu entwickeln und zu optimieren:

Hinzu kommen Unterschiede in der Beratungsqualität zwischen Gesundheitsämtern und Beratungsangeboten durch Rat & Tat - Zentren in Potsdam und Cottbus (Bündnis faires Brandenburg e. V.):

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